Göttinnenspiel

Teil 14

Er läutet und steht. Wie gewohnt ihm das ist - beinahe Normalität, stille, bekömmliche Tagesfreude.

Sie öffnet und grinst breit. Sie nimmt ihn in den Arm und schnuppert an ihm. "Du brauchst eine Dusche", sagt sie und gibt ihm einen freudigen Klaps auf den Unterrücken.

Beinahe tänzelnd, gleitet Winston ins Bad. Schwungvoll legt er die Kleider auf den Sessel und springt in die Dusche. Er legt die Hände lächelnd hinter den Kopf.

"Meinem Schatz geht es gut?" sagt Bernadette freudig. Winston nickt.

"Dann sorgen wir dafür, dass es dir noch besser geht, oder?" Sie schwenkt ein dünnes Seil vor seinen Augen. Als sie die Hand öffnet, fällt ein schweres Gewicht heraus. "Hoppla", macht Bernadette. "Augen zu!"

Er tut, wie ihm gesagt wird. Er spürt, wie die Seile sich zuziehen. Kurz darauf jault er vor Schmerz auf. Es ist, als würde ein glühendes Eisen von unten durch seine Lenden in den Bauch fahren. Unwillkürlich geht er in die Knie. Das Ziehen lässt nach.

"So", verkündet Bernadette. "Hier ist deine Schürze. Und jetzt Entengalopp in die Küche. Und die Hände bleiben schön brav heroben!"

Jeder Schritt ist ein Alptraum, während er sich in die Küche schleppt und Bernadette ihn von hinten anstichelt. "Schnell schnell, sonst kommt wieder die Motivationshilfe!"

Schwer stehend, halb im Knieen, eingeknickt wie eine verbogene Büroklammer, beginnt er zu kochen, während sie kichert und seinen Schmerz bissig kommentiert. "Na, tut's auch weh? Nicht dass dein Peewee sich aufstellt. Manchmal haben Männchen ein kleines bisschen Haue gern, findest du nicht?"

Winston zieht Zwiebeln ab und schneidet sie in feine Würfel. Er erhitzt das Olivenöl, dünstet die Zwiebeln glasig und gibt Zucker und Tomatenmark dazu. Das Ganze löscht er mit Dosentomaten und Gemüsebrühe ab, kocht es auf und lässt es köcheln.

Er schält und schneidet Melone und Papaya. Bernadette stiehlt ihm ein Stückchen Melone und küsst ihn.

Er wäscht eine Chilischote, entkernt sie zur Hälfte und schneidet das Fruchtfleisch in kleine Stücke. "Ich hoffe, es ist nicht zu scharf", meint Bernadette. "Sonst darfst du eine Chili essen, schön langsam."

Er macht Spießchen aus den Früchten und Mozzarella, wärmt ein Schüsselchen vor und schmeckt die Suppe ab. Aus Sekt, Gelatine, Zucker und Erdbeeren zaubert er ein Gelee zur Nachspeise, Dann tut er einen Tupfen Creme Fraiche auf die Suppe, zieht mit einem Spießchen ein Herz in die Creme, stellt das Gelee kalt und serviert die Suppe. Bernadette nimmt sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Von Schmerz gezeichnet, keuchend und eingeknickt, schwitzend am ganzen Leib, kann Winston kaum atmen, geschweige denn auf die extravagante Getränkewahl hinweisen.

"Du kennst doch die Geschichte von Edita", beginnt Bernadette, während sie isst. "Oh, das ist delikat, Schätzchen - da hast du ein Stück. Und nimm dir den Rest von der Suppe, ich bin zu faul um aufzustehen. Jedenfalls, Edita. Sie wurde von einer Männchenhorde aufgegriffen, gequält, gefoltert und vergewaltigt. Ihre tapferen Mitstreiterinnen befreiten sie. Gemeinsam errichteten sie die Gerechte und Gewaltfreie Gesellschaft, die wir jetzt haben."

Sie schlürft laut an der Suppe. "Delikat. Was du vermutlich nicht weißt, ist, wie Edita befreit wurde. Was glaubst du, wie sie das Imperium der Brutalzeit zerschlagen haben? Du solltest mir zuhören, es ist eine spannende Sache. Edita fand heraus, dass ihre Wachen bei ganz bestimmten Formulierungen, bei bestimmten Gesten immer dieselbe Reaktion zeigten. Es war wie ein Mechanismus, wie eine Automatik. Sie begann, die männliche Automatik zu erforschen. Als sie wieder frei war, nahmen Edita und ihre Schwestern ein paar einzelne Männchen gefangen. Sie führten Experimente durch, oh ja. Sie verfeinerten ihre Technik. Sie fanden heraus, wie man Männchen zu praktisch allem bringt. Die Idee ist uralt. Bring sie dazu, dass sie sich schuldig fühlen, und sie tun, was immer du willst, einfach weil sie das Schuldgefühl loswerden wollen. Besonders gut, wenn man schon bei den Kindern beginnt. Herrliche Suppe. Bring mir die Nachspeise!"

Winston freut sich, dass es ihr schmeckt. Er hat versucht, zuzuhören, aber er hat wieder einmal wenig begriffen. Er kriecht halb, geht halb zum Kühlschrank und trägt das Glas mit dem Champagner herbei. "Mund auf!" sagt Bernadette. Sie schiebt ihm ein schönes Stück vom Gelee in den Mund. Leicht prickelnd, süß und mit einem Hauch Säure und einer winzigen, luftigen Prise Bitter, ist es wie ein Flug über Wolken, in einem strahlenden Himmel.

"Wiederhole, was ich gesagt habe!"

Winston gibt wirklich sein Bestes.

"Steh gerade!" Winston stöhnt auf. Der Schmerz ist unerträglich. Er stützt seine Hand auf den Tisch. Bernadette stößt die Hand weg. "Aufstützen darfst du dich, sobald du mir wiederholt hast, was ich sage."

Geduldig, langsam, wiederholt sie die Geschichte von Edita, die ihre Erkenntnisse nutzte, um den Männchen Schuldgeständnisse abzulocken. Wie es ihr zum ersten Mal gelang, ein Männchen dazu zu bringen, dass er beim Anblick einer Banane in Ohnmacht fiel. Wie ihre Schwestern das Werk weiterführten. Wie heute schon im Kindergarten gewisse Handlungen mit bestimmten Gefühlen verbunden würden, und dass den meisten Frauen nicht klar sei, was sie sich selbst dadurch wegnahmen. Eine Gerechte, Gewaltfreie, zu Tode gelangweilte Gesellschaft!

Nachdem er beim Drittenmal unter Weinkrämpfen imstande war, halbwegs zu wiederholen, was sie gesagt hat, befreit sie ihn vom Gewicht und dem Schmerz. Sie nimmt sein Gesicht in beide Hände. "Winston", sagt sie. "Das, was ich dir gerade gesagt habe, darfst du niemals vergessen." Sie wirkt ernsthaft, als würde sie eine Zukunft erahnen. "Du darfst es nicht vergessen, ganz egal was passiert, ganz egal, was sie mit dir tun... und du darfst es auf keinen Fall irgendjemandem sagen. Verstehst du mich?" Winston nickt. "Das ist wichtig, Winston, wichtiger als du dir vorstellen kannst. Wenn jemals irgendjemand erfährt, dass du das weißt... wenn jemals jemand erfährt, dass ich es dir gesagt habe..." Sie verstummt. Sie setzt sich auf ihren Sessel und zündet sich eine Zigarette an.

"Marsch, die Treppen hinauf", befiehlt sie ihm. Ihre Stimme ist flach, wie erschöpft, und ihr Blick geht ins Leere. "Stell dich auf alle Viere aufs Bett und verbinde dir die Augen mit dem Seidentuch. Ich komme später nach."

Winston will gehen, bleibt stehen, legt die Schürze ab. "Oh, und, die Schürze, ja..." Ohne dass Bernadette es ihm sagt, stellt Winston ihr ein Glas hin und füllt es bis beinah zur Hälfte mit Whiskey. Bernadette lächelt. Winston geht.

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