Dann sind sie da, und sie richten sich ein: Bleistifte spitz, karierte Blocks ausgerichtet am Marmortischrand. Der Meetingraumboden hat ein Schachbrettmuster, dunkelhellgrau eintönig helldunkelgrau.
Dann warten sie, die Schwingtüre geschlossen wie eine reglose Schleuse zu einer anderen Welt. Langsam werden sie unruhig: keiner, den sie kennen, würde sich so lange Zeit lassen. B.S. spitzt einen Bleistift und noch einen. René macht eine Zeichnung auf seinem Block, vielleicht von einem neuen Papierflieger. Winston starrt auf die Tür, als ob er sie damit erweichen wollte.
Dann öffnet die Tür sich, ein stockender Atem geht durch die Menge, und ein frischer Zug aus herzhaft herber Kraft weht herein. So haben sie ihre Augen regungslos hingewandt und wenden den Blick schamhaft ab, als das herbe, kantige Gesicht unter dunklen und festen Augenbrauen jeden der Männer unverwandt anblickt.
Es ist unfair, denkt Winston, dessen Blick interessante Details an den Karos auf seinem Schreibblock ausmacht. Es ist gegen den Brauch. Es ist...
Es ist eine Frau. Sie nimmt den Raum an der Spitze der Tafel ein und nennt ihren Namen mit sicherer Stimme: "Doktor Regina Schreier. Kein Ypsilon. Ich leite ab heute das Amtsgeschäft."
Jedes Wort ist ein indianischer Giftpfeil, ein Samuraidolch. Wenn sie eine Frau schicken, haben sie ernsthafte Änderungen im Auge. In Winston erwacht die Verantwortung, die er als Dienstältester trägt: die Büroehre steht auf dem Spiel. Schließlich arbeiten sie gut, pünktlich, im Regelmaß.
Frau Doktor Schreier erläutert. Als sie die Notwendigkeit nennt, die Effizienz drastisch zu steigern, möchte Winston gern einhaken. Die Zahlen - sie haben doch soundso viel, und das heißt - er weiß, dass er die Zahlen vor einer Minute noch kannte. Frau Doktor Schreier gestikuliert. In seinem Denkapparat, unsichtbar, hat ein Zahnrad ins andre gegriffen; auf einen stählern durchdringenden Blick hin hat ein Schaltkreis aus ersten Momenten sich aktiviert, und Winston vernimmt jetzt ein brennendes, glühendes Ziehen von seinen Lenden an aufwärts bis in den Bauchraum. Ein Bild stellt sich ein, und Frau Doktor Schreiers sinnlicher roter Mund, ihre wogende Brust füllt seinen Gedankenraum. Sogleich fühlt er sich schuldig, solche Gedanken zu denken: diese steinzeitbrutalen Bilder, die die schöne Gewaltfreie und endlich Gerechte Gesellschaft schon längst überwunden hat. Nur er, Winston, er kann sich nicht helfen und braucht noch mehr Kraft, noch mehr Selbstzügelung. Da ist Frau Doktor Schreier natürlich schon längst weiter und nennt konkrete Maßnahmen.
Winston schluckt. Weiter hinten hebt sich eine Hand schüchtern. Waldorf, ausgerechnet der romantische, liebliche Waldorf mit seiner Piepsstimme, wirft ein, japsend: "Aber wir haben... im letzten Halbjahr... die Bearbeitungsrate ohnehin... 20%..."
Frau Doktor Schreier macht nicht einmal eine Pause in ihrem Redefluss. Waldorf betrachtet den Marmor. Rigide Kontrolle der Arbeitszeit. Reduktion der Mittagspause auf 15 Minuten. Kaffeepause höchstens einmal pro Tag, zehn Minuten. "So werden wir unser Team wieder auf Kurs bringen. Alle einverstanden? Gut. Dann, meine Herren, an die Arbeit!"
Frau Doktor Schreier erhebt sich und wallt aus dem Raum. An der Tür dreht sie sich um: "Oh, und eines noch - natürlich herrscht ab jetzt striktes Rauchverbot." Die Tür schwingt hinter ihr nach. Die Männer machen verdutzte Gesichter.