Göttinnenspiel

Teil 12

Schließlich ist wieder Mittwoch, endlich! Winstons Herz macht einen Sprung, als er aus dem Büro kann. Beinahe vergisst er, was er sich selber geschworen hat. Selbst der Weg in den Supermarkt fällt ihm leicht. Dann, als er vor der Tür steht und genau einmal läutet, glaubt er, es ganz vergessen zu wollen; denkt er, wenn er ihr alles gibt, wird sie ihr Herz dem richtigen Weg zuwenden. Sie wird dann nicht anders können. Die Kraft seiner Hingabe wird sie erweichen.

Sein Herz schlägt, als wolle es seinen kleinen Körper zersprengen.

Als die Türe sich öffnet, ist es wie ein Erwachen. Er sieht sein breites Lächeln und fühlt sich, als ob er hier hergehört. Nur eine leise Stimme, ganz hinten in seinem Kopf, flüstert ihm etwas zu, und er weigert sich, hinzuhören. Stattdessen hält er Bernadette die Einkaufstasche hin... murmelt, "Ich wusste nicht, ob..."

Sie bittet ihn herein. Es sieht beinahe aus, als hätte sie eine Träne im Auge gehabt. Dann hat sie ihn, fest in den Armen, und ihre Küsse sind in ihm wie ein Feuerwerk, ein Gewitter. "Schön dass du da bist, mein Kleiner", flüstert sie. "Oder...", sagt sie, schon wieder leise lachend, "...oder sollte ich sagen, mein Großer?"

Während er sich von ihr löst, entschuldigt er sich für die Gewalt, die er ihr antut. Bevor er noch fertig ist, hat sie ihm eine schallende Ohrfeige verpasst.

"Schau mich an", sagt sie, und ihre Stimme ist wieder fest und bebt nur noch ein wenig nach. "Du wirst dich nie wieder dafür entschuldigen." Sie zeigt nach unten, wo das Biest zwischen den Beinen, fest geworden, sich regt. "Verstanden?"

"Ja", sagt er leise. Sind das nicht genau die Dinge, über die er mit ihr reden muss? Er weiß nicht, wie er es anfangen soll. Er windet sich.

Sie lässt ihn diesmal nicht duschen. Sie führt ihn ins Wohnzimmer. Komisch, denkt er, das ist das erste Mal, dass ich das Wohnzimmer angezogen betrete. Er will sich auf den Boden setzen, aber sie zwingt ihn neben sich auf die Bank. "Bitte...", sagt sie.

Er fühlt sich eigenartig unwohl. Das Zimmer ist abgedunkelt. Der schwere Eichentisch beherrscht die Mitte des Raums. Eine Uhr tickt laut. Es ist ihm noch nie aufgefallen, dass im Wohnzimmer kein Fernseher steht. Aus irgendeinem Grund macht ihn die Tatsache etwas nervös.

Bernadette sieht ihn an. Diese großen Augen, dieser tiefe Blick. Er möchte, sie sagt endlich etwas.

"Du musst mir verzeihen", sagt sie ernsthaft, mit trockener Stimme.

Winston weicht automatisch zurück. Es gibt Sätze, die Göttinnen nicht sagen sollen.

"Ich habe dich weggeschickt, weil ich wütend war. Und ich war nicht wütend auf dich. Ich war wütend auf mich."

Er sitzt da wie versteint. Er hat sich viele Vorstellungen gemacht. Er ist diese Szene hundert Mal in seinem Kopf durchgegangen, und jetzt sitzt er da wie versteint.

"Du bist mir ans Herz gewachsen, mein Kleiner. Du hast mich verändert. Ich hätte das nicht geglaubt... " Sie atmet tief durch, scheint sich zu überwinden. "So, und jetzt... Jetzt will ich Spaß haben."

Wieder lässt sie ihn sich ausziehen. Wieder soll er die Hände in den Nacken legen. Und sie befiehlt ihm - nein, sie bittet ihn, mit seinen Augen ihren Blicken zu folgen, die ihn abtasten.

"Ich war viel zu schnell", flüstert sie, während sie vor ihm steht, ihn von oben bis unten betrachtet, und wieder von unten bis oben. Er gibt kleine Geräusche von sich; es fühlt sich an, als würden ihre bloßen Blicke seinen Körper berühren, seine Haut durchbohren. Er wünscht sich, er dürfte die Augen schließen, aber sie wiederholt immer wieder, dass er sie offenhalten, auf sie hören soll. Auf sie hören... ihre Stimme in sich lassen, ihrem weichen Mund folgen, und dann, als sie näher tritt, als sie ihn tatsächlich berührt... schreit er auf, als hätte ein Schmerz aus tausend scharfen Nadelspitzen ihn mit einmal durchbohrt.

Ihre Finger tänzeln auf ihm. Er wartet darauf, dass sie ihm wehtut, aber sie streichelt nur sanft, hier und da, haucht über die Brustspitzen, die so empfindsam werden wie Knospen, sich ihr zuneigen, sich ganz dem Gefühl öffnen...

Dann, als ihre Finger weiter nach unten wandern, als er spürt, wie es zu pochen beginnt und zu schlagen, ist er froh, seine Blicke in ihren Augen festkrallen zu können, sodass er es nicht sehen muss, was da unten geschieht. Seine Augen sind schreckensweit.

Sie berührt etwas da unten. Er weicht automatisch zurück. Er hasst sich dafür, dass er diese Gewalt nicht unter Kontrolle hat, und einen Augenblick lang hasst er Bernadette... aber wofür? Es ist sein schrecklicher, dreckiger Körper.

"Zu schnell?" fragt sie sachte. Er nickt beschämt.

"Darf ich... darf ich mich duschen?" Er fühlt sich so dreckig.

"Natürlich darfst du", kichert sie.

Er verschwindet, so schnell er kann. Er nutzt das eiskalte Wasser mit vollem Strahl. Er schafft es, sich ein wenig zu beruhigen.

Als er zurückkommt, hat sie ein Seil und ein schwarzes Seidentuch bereit.

"Es wird dir helfen, dich zu entspannen", sagt sie. "Ich verzichte nur ungern auf deine Augen, sie sind so schön, aber... ich möchte, dass du dich entspannen kannst."

Wie sanft ihre Stimme ist! Wie Seide auf flaumiger, süßduftiger Haut. Verborgen unter dem schwarzen Samt, lässt er sich von ihr führen. Sie gehen die Treppen hinauf, durch die Tür. Dann gibt sie ihm einen Stoß, und er fällt, fällt, landet so weich wie noch nie, fühlt sich wie schwebend. Sie wendet ihn rasch auf den Bauch. Sie nimmt schnell seine Hände, ein Knoten zurrt fest. Er zieht an den Seilen und kann sich kaum rühren. Er lächelt. Tränen rollen unter der Augenbinde hervor.

Der erste Schlag trifft ihn ohne Vorwarnung, und er zuckt, und er schreit.

"Keine Schreie!" befiehlt sie mit steinharter, trockener Stimme. "Und zähl mit."

Schläge folgen. Er versucht seine Schreie zu beherrschen, zu dämpfen. Bald beißt er auf Stoff, bald hat er sich einmal verzählt, und genießerisch sagt sie, dass sie von vorne beginnen müssen, und diesmal soll er den Unterrücken in die Höhe winden. Er muss grinsen. Er windet sich halb auf die Knie, hält ihr den Unterrücken entgegen, muss beim nächsten Schlag nachgeben und sagt "Eins" unter Tränen.

Die Schläge zucken herab, während er schutzlos hofft, dass jetzt Schluss ist. Die Schläge scheinen ineinander zu gleiten, sie tanzen den Reigen im Rund um Winstons Körper, um Winstons verbotene, gute Gefühle, um Winstons Geist. Bald wird er mitgerissen, eingereiht in den Tanz, und dann lacht er lauthals, ein verrücktes, ein grässliches Lachen, und er ist jetzt ganz durchsichtig, ganz nachgiebig, weich. Dann ist, einen Moment lang, seine flüchtige Seele verschwunden, und er fühlt sich so tief mit Bernadette verbunden, dass er sich wünscht, dass es nie enden wird. Er möchte jetzt ihre Hand halten; zwischen zwei Zählungen hebt er sie, so weit er das kann, und spürt ihre Hand, die seine nimmt und fest hält, lange nur hält, fest lange hält, sanft nur streichelt, bevor sie ihn sacht loslässt und er wieder den Mund gegen das Schreien verschließt, zählt und ins Dunkel starrt.

Schließlich dreht sie ihn auf den Rücken. Ihre Stimme begleitet ihn, geleitet ihn sanft.

"Ja, so gefällst du mir. Erschöpft, nackt, hilflos. Du gefällst mir vom ersten Augenblick an, als ich dich damals gesehen habe. Ich habe keine Sekunde gezögert. Ich habe dich gesehen, und ich habe dich mitgenommen. Erinnerst du dich? Sicher tust du das. Es war ein wundervoller Nachmittag, es war gerade erst Frühling geworden, es war noch kühl in der Stadt, und die Stadt war voll von all den Geräuschen, und zum ersten Mal hast du vor mir gestanden. Wie warst du wunderschön! Und jetzt liegst du hier, du bist rosiges Fleisch, und ich erschaffe ein Kunstwerk. Und du lässt es einfach geschehen, und es ist gar nicht nötig, dass du es zulässt, blind und gelähmt... Ich berühre dich langsam, langsam, wie ein Zauberstab wecke ich dich zu einem neuen Leben, und ich berühre dich überall, wo ich will, was ich will, wie ich will."

Von seiner Körpermitte geht eine Anspannung aus, die jedes Wort in ihm lahmen und stürzen lässt. Er hört noch die Stimme, er hört wie sie spricht, ein Singsang, ein Hintergrund, berauschend, wortlos. Er schreit unbeherrscht, laut auf, und in diesem Moment ist er jenseits der Schuld, ist es nicht die männliche Schmutzigkeit, die ihn treibt. Schwerelos fällt er dahin durch den Raum, unermesslich und dunkel.

Er hört Bernadette sagen, "Stopp!", und ein kleiner Schalter in seinem Innern fällt um, die Anspannung beginnt sofort abzuebben.

"Siehst du", sagt Bernadette. "Ich kann es beenden, wann immer ich will. Wann immer ich will!"

Er ist außer Stande, zu antworten. Er ist außer Atem, er fühlt sich erschöpft, und... da ist etwas anderes. Winston fühlt sich, als wäre er nicht wirklich hier bei Bernadette. Einige Momente lang fühlt er sich, als schwebte er außerhalb, oberhalb.

"Was war das?" fragt er sie. Und dann, lauter, dringlicher: "Was war das?"

Die Augenbinde verschwindet von seinen Augen. Sanft streicht Bernadette seine feucht verschwitzten Haare aus seiner Stirn. Ihre Stimme ist träumerisch. "Ich weiß nicht, ob du es jemals völlig verstehen wirst. Ich weiß nicht, wie lange es für dich dauern wird. Ich bin nicht einmal ganz sicher, ob ich es selbst völlig verstehe. Aber ich weiß eines, und das weiß ich ganz genau." Ihre Stimme sinkt zu einem Flüstern, als sie sich zu ihm herabbeugt. "Du bist nicht schmutzig. Du bist nicht schuld. Dein Schwanz..." Er dreht seinen Kopf weg. Sie zwingt ihn wieder zu sich. "Das Peewee... Dein Schwanz, dein wunderschöner, lebendiger, pulsender großer Schwanz..." Er stöhnt auf. "Hör mir gut zu, Winston: Dein Peewee wird groß, wenn ich das will, und er wird klein, wenn ich das will."

Jetzt schreit er. Er füllt den Raum mit seinem Schmerz. Er füllt Bernadettes Gesicht mit seinem Fluch, während sie beruhigend auf ihn einredet, und er sachte, sachte wieder zu sich kommt.

"Du wirst viel lernen, Winston. Du bist ein gelehriger Schüler. Und ich möchte gern deine Lehrerin sein."

Ihr Finger neckt ihn.

"Du weißt, was das heißt, Winston?"

Er weiß nicht, welche Antwort sie von ihm wünscht.

"Natürlich nicht." Sie bewegt die Hand wieder nach unten, und er schreit kurz auf. "Groß, wenn ich das will. Klein, wenn ich das will."

Plötzlich bäumt Winston sich gegen die Fesseln und schreit: "Aber ich will das nicht!"

Sein Atem geht keuchend. Er fällt auf den Polster. Sein Puls rast im Schreckenstakt. Noch nie hat Winston eine Göttin angeschrien. "Ich will nicht!" wiederholt er.

Sie springt vom Bett. Sie starrt ihn an, verstört, hält sich den Mund mit der Hand, entsetzt. "Will nicht..." murmelt sie. "Will nicht..."

Dann, laut und stark, schreit sie: "Was willst du nicht, Männchen?"

Er ist zurückgesunken. Es ist aus. Sie wird ihn hinauswerfen. Er wird den Rest seiner Tage verbringen in unerträglicher Schuld. Er hat einer Göttin den Gehorsam verweigert. Er hat sich gegen die Regeln vergangen. Er hat die letzte Chance vertan, jemals gehörig zu sein.

"Sag es! Los, sag es!"

Winston hört sich selbst sprechen. Winston ist nicht, der spricht.

"Ich will nicht, dass Sie Schw... Schw... Ich will nicht, dass Sie es sagen."

Bernadette nickt, halb erschrocken, halb entzückt geht ein Zucken um ihren Mund.

"Ich will nicht,... dass es sich bewegt."

Sie nickt wieder. Dann kommt sie her, löst die Fesseln und küsst ihn.

"Dein erster Schritt in die Freiheit", flüstert Bernadette.

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