Eva Kellinger war glücklich. Sie hatte erreicht, was sie sich immer gewünscht hatte. Ihre Beziehung hielt fest, ihr Stadtrandhäuschen stand starkgemauert, aufgeräumt und sauber dank Ines, dem Mädchen, das einmal pro Woche kam. Eva genoss die Ruhe, die in ihr Leben gezogen war, und manchmal erlaubte sie sich, vor ihrer besten Freundin Brigitte damit zu prahlen. Das verstärkte noch den Genuss.
Wenn sie sich früher gefühlt hatte wie ein Zugvogel ohne Landeplatz, verloren und frei nur gegen den Preis fehlenden Bodenkontakts, war sie jetzt wie ein Fesselballon, von Vernunft regiert, den Gefahren der Freiheit endlich entrissen. Endgültig, wie sie hoffte.
Peter liebte sie mit seiner klugen, anspruchslosen Art, und sie liebte Peter dafür, dass er sie meistens nicht zu sehr bedrängte. Sie dachte mit eiskaltem Schrecken an ihren ersten Freund: Sie war vierzehn gewesen, ihr war alles peinlich - dass sie keine Jungfrau mehr war, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte, falls er danach fragte; dass sie die Regel bekam ausgerechnet an dem Tag, an dem er sie da unten berühren wollte; dass er sie in der Öffentlichkeit der Diskothek küssen wollte und sie keinen Grund nennen konnte, warum sie ihn wegstieß, und ihn gewähren ließ und an ihm hing wie ein toter Fisch an der Angel.
Mit Peter konnte das nicht so enden. Sie liebten einander, das sagten all ihre Freunde, sie waren ein gutes Paar. Am Anfang war es gewesen wie ein ausgiebiger Praterbesuch, gerade genug Aufregung für sie, nicht zu viel. Jetzt war es eher wie eine Zugfahrt durch die Toskana: sanft fließendes Hügelland vor dem sicheren Fenster. Auch das war ihr angenehm. Seine Zärtlichkeit umfloss sie wie eine warme Dusche, komfortabel und ohne weitere schlimme Folgen.
Da war der Gedanke, den sie schwer in sich schleppte, dass sie im Innern schon immer woanders war - in einem anderen Leben, sagte sie scherzhalber zu Brigitte, ihrer besten Freundin, bei einem Kaffeehausbesuch. Ob sie ein früheres Leben meinte oder ein späteres, blieb unklar. Ein anderes, darauf beharrte sie. Ihr inneres Heiligtum, dachte sie wehmütig, war unerschlossen. Dann ermahnte sie sich feierlich, realistisch zu bleiben, in die Zukunft zu schauen, tapfer, lebensfroh, dankbar.