Die Sybille

oder
Parasepiden

Teil 6

Dieser riesenhaft heranrollende Wagen soll mir die Angst einjagen. Großes Getöse, lautes Geschiebe, der erste Tropfen läuft mir ins Auge, Salz fließt in meinen Mund. Ich fühle Impulse, mich niederzuwerfen. Zu meinem Glück halten ihre Weiber mich fest in ihren Klammern, und ein winziger Rest männlicher Würde bleibt gewahrt. Die Operation selbst: Je stärker du erregt bist, umso harmloser scheint der Eingriff. Auf dem Scheitelpunkt der Erregung, knapp vor der Explosion, ist der Eingriff, der die Organismen unter die Oberhaut bringt, kaum zu spüren. Sie heißen übrigens, ob mich das nun interessiert, Parasepiden. Gamma-Parasepiden, ganz genau. Das leise Brennen, das einsetzt, wenn die Sepiden beginnen, in die Zellen der Haut einzudringen, wird dann oft für Überanstrengung gehalten, oft auch auf den besonderen Einsatz der betreuenden Applikantin zurückgeführt. In der nächsten Phase, in der die ursprünglichen Zellkerne des Probandenkörpers ersetzt, oder besser: transformiert werden, kommt es leider zu unerträglichen Schmerzen im gesamten Bereich der Genitalien, aber auch ihrer unmittelbaren Umgebung. In manchen Fällen ging das bereits bis zu Übelkeit, Schwindelgefühl, Ohnmacht. Deshalb schicken sie die Applikantin regelmäßig anderntags zur Nachbetreuung. Sehr viel ist zwar nicht zu tun, aber sie kann zumindest beruhigend auf den Probanden einwirken. Aus psychologischer Sicht ist sehr verständlich, daß in der gemeinsam erlebten Extremsituation ein starkes Band zwischen Applikantin und Proband geschmiedet wird, das auch durch die bewußt wahrgenommenen Gefühle der Frustration, Wut und Ablehnung nicht aufgelöst werden kann. Umso schöner, wenn es gelingt, Applikantin und Auftraggeberin in einer Person zu verschmelzen!

Ich zucke zusammen, ganz unwillkürlich mitten in meiner Umklammerung, und denke an Maria.

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