Mit wütenden Gedanken stapfte sie ins Badezimmer, um endlich das Haargefilz aus dem Waschbecken zu entfernen.
Es war gewachsen.
Jedenfalls hatte sie keine andere Erklärung dafür. Grauer Filz kroch aus dem Ausguss und wucherte wie ein Fell auf dem weißglatten Email. Es sah nicht aus wie Haarreste; es war trocken und dicht, drahtig gewellt.
Sie schlug die Hand vor den Mund. Was ihr in heißen Tränen hochkam, war nicht so sehr Ekel oder Abscheu; es war nicht einmal Angst; aus der Verwirrung, dem unauslotbaren Nichtwissen, was hier geschah, was zu tun war, stieg nackte Panik.
Sie stolperte die Treppen hinab in die Küche, um das Pulver zu holen. Die Dose leuchtete heimtückisch rot. Genau das, was sie jetzt brauchte.
Als sie zurückkam, hatte sie sich einigermaßen gefasst. Es war irgendein Parasit, ein Lebewesen, eine seltene Pflanze. Es war seltsam, dass Eva noch nie von so etwas gehört hatte; aber es war nicht unmöglich. Es gab eine Erklärung, Peter würde irgendein Institut anrufen und dann stolz verkünden, das sei ein Paracogeus Imaxomander, und dass sein Dummhäschen das nicht gewusst hätte - wie amüsant.
Vielleicht sollte sie es nicht anrühren? Vielleicht war es giftig.
Vorsichtshalber zog sie sich Gummihandschuhe über, bevor sie dem Ding in der Waschmuschel zu Leibe rückte. Pink leuchtete es im Kunstlichtschimmer.
Beherzt rückte sie mit dem Pulver vor. Der Deckel ließ sich nicht abschrauben. Kurz vor der Panik fiel ihr ein, dass es eine Kindersicherung gab - sie musste den Deckel drücken und dann drehen.
Sie glaubte ein Keuchen zu hören, wie aus Schmerz oder Angst.
Sie prallte zurück. Das Ding hatte sich gerade bewegt. Sie hatte es deutlich gesehen.
Sie ging vorsichtig einen Schritt näher. Nichts rührte sich. Sie stand zitternd am Waschbecken - das Zeug lag regungslos.
Sie führte langsam die Dose näher. Noch keine Bewegung. Sie ging näher heran. Schweiß lief ihr über die Stirn, in den Ausschnitt. Sie bemerkte, wie ihre Brustwarzen sich aufrichteten. In ihrem Bauch sprang ein Funke auf, heiß und hell, und begann sich rasch auszubrieten.
Als sie die Dose genau über der Mitte hielt, griff es nach ihrer Hand. Im Moment schreckstarr, beobachtete sie, wie es sich um den Handschuh wickelte, und ihr wurde bewusst, dass ein Strom daraus hervorsprang, kraftvolle heiße Energie.
Bald würde das graue Zeug ihre bloße Haut erreichen. Sie wusste, dass sie sich losreißen musste, aber da war diese Hitze in ihrem Bauch, die sich immer mehr ausbreitete, ihre Scheide kitzelte gierig, und ihre Knie waren auf einmal weich wie Gummi. Sie warf die Dose mit dem Giftzeug weit von sich, sodass dem Wesen in der Waschmuschel nichts geschah. Sie stützte sich am Waschbecken ab, während sie die Liebkosung des Wesens entgegennahm. Ein Beben ging durch ihren Körper, und sie ächzte wie in einem gefährlichen Fieber. So etwas hatte sie lange nicht mehr gespürt - seit den Anfangstagen ihrer Beziehung mit Peter nicht mehr - vielleicht nicht einmal da - und eine vage Sehnsucht brach auf und nahm körperliche, beinahe sichtbare Gestalt an.
Und dann war es aus.
Eva heulte auf wie ein Hund, der die Köstlichkeiten auf dem Tisch sieht, die ihm vorenthalten werden. Das Grau löste sich von ihrer Hand und zog sich langsam, Millimeter für Millimeter, in den Ausguss zurück.
Sie nahm das Messer und warf es dem grauen Zeug hinterher, das sich ihr entzog, ihren lauten Protesten zuwider. "Ich will mehr!" schrie sie. "Mehr, mehr, mehr!" Sie warf Tuben und Flaschen in die Waschmuschel. "Mehr! Mehr!"
Sie lief hinaus, wusste nicht wohin, und lief wieder zurück.
Im Waschbecken lagen Fläschchen mit Lotions und Parfum, Seifenstücke und ein Lippenstift. Sonst war es leer.