"Was sind Sie?"
"Nackert. ... Nein, nicht nackert. Ich habe keine ... Jacke an."
Keine Antwort ist auch eine Antwort. "Und wer sind Sie?"
Höflich, wie ich bin, sag ich meinen Namen.
"Und Sie sind nackert?"
"Ja. Nein."
Das Ganze halb geschrien, halb geflüstert, weil durch die Tür und so.
"Also was jetzt? Nackert oder nicht."
"Naja, so halbert."
"Was heißt halbert. Was haben Sie an?"
"Eine Untergatten..."
"Na fesch. Und sonst nichts?"
"Nicht viel."
"Also was?"
"Na, Socken und Schuhe halt."
"Also, nochmal von vorn. Was haben Sie an?"
"Eine Untergatten, Socken und Schuhe."
Pause.
"Und was für Socken?"
"Tennissocken, mein Gott. Lassen Sie mich herein oder nicht?"
"Tennissocken. Mein Gott, allerdings."
Da geht die Tür auf, ich glaub schon ich bin gerettet, aber es ist natürlich mit Kette. "Drehen Sie bitte das Licht auf?"
Ich hab aufgegeben. Schulter gezuckt, jetzt hält mich eh schon ein jeder für wahnsinnig, haben sicher alle genau mitgeschnitten, es ist alles wurscht. Mir ist kalt, ich will meine Milch, ich will in die Wohnung. Wurscht welche. Der Schalter ist natürlich hinten beim Stiegenhaus, aber ich hab fast schon gelacht, wie ich ihn aufgedreht hab. Momentan war es mir echt wurscht.
Sie grinst an der Kette vorbei, mustert mich von oben bis unten und fragt mich, "Und warum sind Sie nackt?"
Ich bring keinen Ton heraus.
"Hat Sie die Freundin rausgehaut?"
Da fallt mir wenigstens was dazu ein: "Lebensabschnittspartnerin, bitte, ja? Nein, sie hat mich nicht rausgehaut. Sie. Hat mich Milch holen geschickt."
Da fällt mir erst ein, wie unglaublich blöd sich das anhört. Ich hab gespürt wie ich rot werde bis zu die Haarwurzeln, und die Ohrwascheln waren heiß wie ein Bügeleisen. Ich glaub ich hab sie total belämmert angeschaut, jedenfalls nicht wie ein Vergewaltiger oder sowas, und naja, wahrscheinlich hab ich halt auch vollkommen dermaßen glaubwürdig mit den Zähnen geklappert. Jedenfalls hab ich damals sowas gedacht. Oder auch nicht. Keine Ahnung. Hauptsache hinein in die gute Stube. Ihr werdet es ja sehen.
Ich stehe da echt wie ein Bittsteller vor der Tür, wie eine Mischung aus Adam und Eva, nur mit String statt Blatt, und Maria und Josef, nur ohne Maria, und jedenfalls geht dann echt wirklich die Tür auf, und die kleine Mackovic steht vor mir, goldig, ich sage es euch, so goldig, daß mir einmal die Lade heruntergefallen ist.
"Ja kommen Sie halt rein, bitte gar schön."
Und ich Dodel denke noch, unter andern Umständen weiß ich nicht, ob ich mich da zusammenreißen könnte. Aber gut, waren jetzt halt wirklich ganz andere Umstände, und mit zusammenreißen war sowieso nicht viel bei der Kälte. Aber trotz allem, Kinder, kaum war ich drin, ist mir klar geworden, wie spitz ich war, spitz wie ein Bleistift, und ich hab mich halt notdürtig ein bisserl bedeckt. Und ich fange an: "Entschuldigung", und sie fangt an: "Setzen Sie sich Ihnen doch", und schon steht da was vor mir, also auf dem Tisch, ein Glas, was heißt Glas, ein Stamperl, und sie zündet sich eine Zigarette an und schaut mich an, das kleine Biest, so zwischen den Rauchschwaden durch, und sagt, "Trinken Sie!" Und, naja, könnt euch ja eh vorstellen, jung ist sie halt, und die Bluse mehr durchsichtig als offenherzig, und ich bin ja heut noch nicht richtig drangekommen, also schau ich sie mir an, so zwischen die Lider durch, während ich den Doppeltgebrannten kippe, und sehe sie, wie sie mit der Hand so auf unuffällig über die Bluse fahrt, also, Genossen, ich war mir echt nicht sicher, ob das echt wahr sein kann, oder ob ich die Engerln harfenieren seh. Sie hat allen Ernstes von der Bluse da einen Knopf aufgemacht, und ich will schon den Mund aufsperren und nach der scheiß Milch fragen, da verkutz ich mich fürchterlich, daß ich glaub, ich muß sterben.
Sie war so geschwind da, wie ein Wirbelwind, erschreckend. Haut mir mit voller Wucht auf den Rücken, den blanken, und ihr Parfüm, und eigentlich wollt ich das Glas abstellen, daß ich mir irgendwie den scheiß Tanga mit der Hand bedecke weil der sicher ausgeschaut hat in den Moment wie ein Iglu, und die kleine Mackovic mit ihren langen Beinen war schon halb auf mir drauf, und ich fang an wegen der Milch, aber kaum hab ich angefangen, hat sie den Doppelten nachgeschenkt und mir das Glas vor den Mund gehalten und mir praktisch eingefüllt das Gift. Burschen, ihr müßt mir das glauben, in meinem Hirn war so ein Funken, so ein riesig leuchtender, wie so ein Schilderl wo draufsteht "Achtung Alarm, Gefahr im Verzug", und sämtliche Kobratypen waren auf einmal aufgescheucht und in voller Montur und haben Weihnachtslieder gesungen, daß mein kleines Gewissen endlich wieder aufwacht. Aber dann war das alles vorbei, und wie in Zeitlupe, wie in so einen ganz billigen Film, hab ich auf die Bluse gegriffen, dort wo der eine Knopf offen war, Kinder das war überhaupt keine Absicht, das ist praktisch ganz von selber passiert, die war ja auch praktisch halb offen genau vor meinen Aug, die Bluse, und wo ich grad dran bin, beim da Hineinfahren, Sportsfreunde, glaubt es mirs, im Kopf habe ich schon den ur Film rennen gehabt, wo sie unter mir liegt und ich lieg auf ihr und es ihr furchtbar besorge, natürlich mit Gummi, aber in Wirklichkeit, meine Herren, hört mir zu, ist nämlich folgendes eingetreten: Sie hat das Glasl auf den Tisch geknallt, hat ein richtiges Geräusch gemacht, und praktisch gleichzeitig ist ihre Faust ausgefahren und hat sich mir in den Magen gebohrt. Das Iglu war plötzlich nur mehr ein Maulwurfshügel, ich hätte ihr fast den Doppeltgebrannten in ihr hübsches Gesichterl gespuckt. Und während ich mich gekrümmt hab, ist mir für eine Sekunde eine Erleuchtung aufgegangen, daß das alles mit Absicht war. Aber es war schon zu spät. Und das war mir auch sonnenklar. Ich habe mein Schicksal besiegelt gehabt. Ich habe eine Partie Schach mit den Teufel gespielt gehabt, eh klar: verloren. Irgendwie hat der Teufel immer zwei Damen auf den Brett.
Jedenfalls.
© Bess LaMess 2005-2021